geändert am 10.01.2007 - Version Nr.: 1. 18

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Kunst-Kultur

~ Dr. Dieter Porth - Internet

"Was ist eine gute Kunstkritik?" - Ein Streitdialog zwischen Daniel Costantino und Dr. Dieter Porth.

Zusammenfassung

Täglich erscheinen in verschiedenen Zeitschriften, Journalen oder Fachzeitschriften. Aus Anlass einer Kritik und auf Anregung von Daniel Costantino entstand die Idee zu diesem Schriftdialog über die Frage, was eine gute Kritik ist.
Für mich ist dieser Dialog eine Reflexion über meine gewählte Form der Musikkritiken. Meine Hoffnung ist, dass der geneigte Leser vielleicht viel schneller erkennt, welche Grenzen eine Kritik hat und welche Zielrichtungen Kritiker mit ihren Kritiken verfolgen.
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Pressemitteilung Kontaktlink zu Bürgerstimmen im Göttinger-Land [ Homepage ] (Dr. Dieter Porth)

[Internet - 02.01.06] [Bericht]

"Was ist eine gute Kunstkritik?" - Ein Streitdialog zwischen Daniel Costantino und Dr. Dieter Porth

--- Vorbemerkung --- Zitat: " "Für manchen macht die Nichtexistenz einer absoluten Wahrheit eine systematische Darstellung überflüssig und wertlos wird." ich verstehe die stelle [in deinem Text] nicht ganz, vielleicht ist da was im eifer des gefechtes weggefallen. (als lehrer würd ich sagen: der satz ist unvollständig geblieben. als kritiker vielleicht: schlechtes lektorat!) " Der Satz ist nicht unvollständig sondern übervoll. Es ist das letzte Wort "wird" zuviel - also schlechtes Lektorat. Insgesamt klingt der Satz auch doof und technisch. Treffender wäre vielleicht folgende Formulierung gewesen: "Mancher glaubt: Wenn es keine endgültige Wahrheit geben kann, braucht man auch keine systematische Darstellung." Als ich den Satz schrieb, hatte ich noch nicht verstanden, dass die Kritik für dich deine Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk ist.
 
--- Ausblick ---
Dieser Streitdialog wird sicher nie zu einer idealen Kunstkritik oder einer Einigung führen, aber schon jetzt fallen mir bestimmte Aspekte auf, die mir früher nie so bewusst waren. Der Streitdialog führt zum Überdenken und Hinterfragen der eigenen Position. Gleichzeitig ändert sich die eigene Position im Laufe der Zeit. Aus diesem Grunde mache ich an dieser Stelle ersteinmal einen Rückblick, bevor ich auf deinen Text eingehe. Anschließend versuche ich einen Rückblick auf deine bisherigen Artikel und beschäftige mich dann mit der Frage, was eine gute Kunstkritik ist. Im letzten Teil gehe dann auf die "Sprachkritik" ein.
 
--- Zwischenrückblick auf meine Position ---
In den bisherigen Artikeln habe ich drei Aspekte Zielgruppe, systematischer Aufbau  und Wichtigkeit der Bewertung angeschnitten, die mir wichtig sind. Meine Zielgruppe sind die Leser, denen ich mit der Kritik einen Eindruck von dem Kunstwerk geben möchte. Dabei will ich insbesondere den uniformierten Leser ansprechen, der sich selbst mit dem Werk nicht auseinandergesetzt hat. Für die Kritik benutze ich einen systematischen Aufbau. Dieser soll für möglichst viele "ähnliche" Kunstwerke passen, um dem Leser einen Vergleich über die Vielfalt der Kunstwerke zu ermöglichen. Die Bewertung des Kunstwerks ist zweitrangig. Dabei halte ich im Vergleich zu pauschalen Urteilen Verbesserungsvorschläge für die konstruktivere Kritikform. (Dies ergibt sich daraus, dass sich meine Verbesserungsvorschläge auf "handwerkliche" Fehler bei Nachwuchsmusiker beziehen.)
 
--- Zwischensicht auf deine Position ---
Aus deinen Artikeln habe ich dich wie folgt verstanden. Für dich steht das Kunstwerk als eigenständiges Werk im Vordergrund deiner Kritik. Dabei ist es dir wichtig, wie das Kunstobjekt, also der Text oder das Gedicht, auf dich wirkt. Nach meinem Eindruck lehnst du deshalb Systematiken bei dem Aufbau deiner Kritik ab. Die Leser deiner Kritik sind für dich nicht so wichtig.. Für dich ist die Kritik das Resultat deiner Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk. Du nimmst das Kunstwerk aus deiner Position wahr und prüfst, ob das Kunstobjekt für dich gut ist. Dabei spielen deine Erwartungen und deine Erfahrungen eine wesentliche Rolle und du näherst dich dem Kunstwerk als "fremder" Künstler. Nach meinem Eindruck willst du über die Kritik von dem anderen Künstler lernen. Deshalb ist dir die abschließende Bewertung wichtig, da deine Kritik in erster Linie deine Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk beschreibt. In deiner Kritik stellst du deine Werte zur Kunst selbst als "ultimativ" dar, was bei einem Lernprozess auch nicht anders möglich ist. Deine Ausführungen zu Qualität der Sprache machen deutlich, dass für dich deine Kritik gleichzeitig auch ein Kunstwerk ist.
Dies habe ich aus deinen Texten herausgelesen. Ich bin mir unsicher, ob ich alles angemessen verstanden und zusammengefasst habe.
 
--- Zu den Kommunikationsebenen. ---
Ich glaube, an der Stelle hast du das theoretische Konzept falsch verstanden. Es geht davon aus, dass "niemand nicht kommunizieren" kann. Gleichzeitig gibt das Modell Anhaltspunkte, wie Aussagen und fehlende Aussagen wahrgenommen werden können. Die Selbstanalyse ist an dieser Stelle immer schwierig. Ich versuche hier darzulegen, wie ich derzeit deine Kritiken auf den vier Ebenen wahrnehmen würde.
- Sachinformation:
Wenn du ein ganzes Gedicht oder aus einem Text die guten und schlechten Stellen zitierst, dann gehören diese Zitate beispielsweise zu den Sachinformationen. Das Kunstwerk selbst ist als Sachinformation ausreichend.
- Selbstdarstellung:
Das Fehlen von Informationen ist keine Sachinformation, die deine Kritik enthält. Das Fehlen von "üblichen" Informationen sagt mehr über deine Selbstdarstellung aus. Durch das Weglassen von Informationen zur Person des Autors stellst du die Erwartung an ein Gedicht oder ein Kunstwerk, dass es für sich selbst spricht.
Nach deinen Ausführungen siehst du dich selbst als Künstler. Entsprechend machst du die positiv bzw. negativ kritisierten Künstler zu deinen eigenen "Vorbildern" oder "Antivorbildern". Die Kritik ist Teil deiner künstlerischen Entwicklung.
- Beziehungsebene:
Nach deinen bisherigen Äußerungen interpretiere ich deine Kunstkritik als das "Beiprodukt" bei der Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk eines anderen Künstlers. Da du deine Kritik nicht für jemanden Bestimmtes schreibst, ergibt sich daraus kein Beziehungsaspekt. Trotzdem formulierst du in deiner Kritik Beziehungsaspekte, indem du manches als herausragend und manches als niederschmetternd schlecht herausstellst. Nach deinen Ausführungen siehst du dich selbst als Künstler. Entsprechend machst du die positiv bzw. negativ kritisierten Künstler zu deinen eigenen "Vorbildern" oder "Antivorbildern". Auch wenn du die Autoren nicht persönlich kennst, so du machst sie durch deine Kritik wichtig und setzt dich in Beziehung zu Ihnen. 
- Aufforderungscharakter:
Natürlich kann dein abschließendes Urteil als Leseempfehlung oder als Nicht-Leseempfehlung gewertet werden. Aber durch die unverkennbar persönlichgefärbte Darstellung deiner Kritik kann auch als Aufforderung an den Leser verstanden werden, sich selbstständig mit seinen eigenen Gedanken mit einem Kunstwerk auseinander zusetzen.
Auf Grund deines persönlichen Zugangs zur Kritik forderst du den Leser auf, deine Kunstwerke nach deinen Kriterien zu bewerten.
Deine Ausführungen zur Sprachkritik sind interessant. Angesichts deiner Ausführungen zur Sprachkritik, würde ich sogar glauben, dass das Auffordern des Lesers für das selbstständige Denken und Bewerten dir bei deinen Kritiken wichtig ist. Dies macht sich dann auch in deinen Kritiken bemerkbar, indem du dort sehr persönlich und sehr wertend argumentierst.
 
--- Was ist eine gute Kunstkritik? ---
An dieser Stelle komme ich auf meine Form Kritik zurück. Ich betrachte mich nicht als Künstler. Ich betrachte mich als Beschreibender von Kommunikationsprozessen. Ich betrachte die Konzerte immer als Versuch einer Kommunikation, die nicht auf der "gewohnten" sprachlichen Ebene läuft. Wenn die Kommunikation gut läuft, dann ist für mich das Konzert gelungen, selbst wenn mir die Musik nicht zusagt.
Zum Beispiel brauchen die Hörer von Jazzmusik eine gewisse intellektuelle Schwere und Nachdenklichkeit, um ein Konzert als gelungen wahrzunehmen.  Mir gefällt ein solcher Zugang nicht, aber ich versuche an Hand der Reaktion der Zuschauer herauszufinden, ob ihnen die Darbietung gefallen hat oder nicht.
Aber der Kommunikationsaspekt ist mir auch bei meiner Gedichtehitliste wichtig. Da schreibt jemand auf seiner privaten Homepage ein persönliches Gedicht. Dieses Gedicht würde ich in meiner Gedichtehitliste aufnehmen, denn der Homepagebetreiber hat das Gedicht veröffentlicht, damit es gelesen wird. Ich fasse für die Hitliste den Inhalt des Gedichts in kurzen Worten zusammen. Weitere Kommentare und Bewertungen unterlasse ich meist, da die verschiedenen Autoren oft unterschiedliche Kommunikationsziele verfolgen. Ich interessiere mich dabei für die Absichten, die der Websitebetreiber mit seiner Kommunikation verfolgt. [Persönliche Anmerkung: Erst bei der vorliegenden Reflexion ist mir klar geworden, dass ich in Zukunft bei der Beschreibung mehr auf die Kommunikationsabsichten einer Website eingehen muss. Die Website Schandfleck.ch hat einen kritisch-literarischen Kommunikationsanspruch. Viele Homepages wollen einfach nur als schön bewundert werden, so dass dort oft auch "kitschige" Gedichte zu finden sind. Bei Gedichteforen geht es oft um die Bildung von Diskussionsgruppen, so dass sich dort spezifische Gedicht- und Schreibstile entwickeln, die auf Außenstehende merkwürdig bis schlecht wirken können. In solchen Foren ist die Kommunikation der Forenmitglieder untereinander wichtig, während die Außenwirkung der einzelnen Gedichte weniger wichtig ist. Wiederum auf anderen Website nutzen manche Dichter das Dichten als Therapieform. Wieder andere Seiten wollen mit Hilfe von Gedichten auf ein bestimmtes Thema aufmerksam machen. Gerade auf Tierschutzseiten finden sich häufig ein oder zwei Gedichte.
Für mich ist das Gedicht eine Sprachform, die man zum Kommunizieren benutzt. Gerade die Vielfalt der Kommunikation mit Gedichten möchte ich auf meiner Website darstellen. Dies muss ich in der Zusammenfassung der Gedichte in Zukunft deutlicher machen. Diese Anregung zur Verbesserung der Gedichtbeschreibungen nehme ich in jedem Fall aus diesem Streitdialog mit.]
 
--- Aspekt Sprachkritik ---
Da habe ich den Begriff Sprachkritik falsch verstanden. Sehr treffend definierst du dein Verständnis zum Wort Sprachkritik im folgenden Satz:
" überhaupt, seis am wort, seis anhand der frasen, formeln und behauptungen, sollte sich sprachkritik bemühen, das denken offenzulegen, die selbstverständlichen annahmen dahinter blosszulegen und zu hinterfragen."
Die Offenlegung von 'selbstverständlichen' Annahmen ist sicher ein Anspruch, den ich auch an meine Kritiken stelle. (Ob ich den Anspruch oft erfülle, steht auf einem anderen Blatt.) Im Gegensatz zu dir bin ich bei meinen Kritiken an einer Übersicht über die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen interessiert. Gerade auch auf meiner Gedichtehitliste bemühe ich mich, die kommunikative Vielfalt mit Gedichten darzustellen. Deswegen würde ich beispielsweise ein kitschiges Gedicht nicht unbedingt verreißen. Beispielsweise ist ein kitschiges Gedicht als Werbung auf einer Homepage eines Urlaubsortes sehr professionell, denn es bedient die Wünsche von einigen potentiellen Kunden und ist damit zweckgerichtet.
Das "kitschige" Gedicht als Werbung ist an dieser Stelle als motivierend zu loben. Auf einer Propagandawebsite für eine politische Richtung oder einen Sektenglauben kann das identische Gedicht schon als kritisch herausgestellt werden. Letztendlich ist das identische Gedicht als Leserprobe auf der Seite eines intellektuellen Nachwuchsautors zu verreißen, weil sich das "kitschige" Gedicht mit seiner Selbstdarstellung als intellektueller Dichter beißt. Die drei Beispiele zeigen, dass die Kommunikationsabsicht genauso wichtig wie das Kunstwerk selbst ist. Ein Kunstwerk, auch ein Gedicht, spricht nicht aus sich selbst heraus.
An dem genannten Beispiel zeigt sich mein Anspruch an Kunst. Für mich ist Kunst, ob nun als Musik, als Gedicht, als Roman, als Bild, als Statue, als Bauwerk oder als Design, immer eine besonders aufwendig gestaltete Form der öffentlichen Kommunikation des Künstlers mit anderen Menschen. Deshalb gehört zu einer guten Kunstkritik immer die Antwort auf die Frage, was der Künstler wem mit seinem Kunstwerk sagen will. Für mich ist eine Bewertung der künstlerischen Qualität ohne diesen kommunikativen Anspruch nicht möglich. Da ich nicht alle Kommunikationsversuche gleichermaßen nachvollziehen kann, versuche ich möglichst, meine Gefühle und Gedanken als "Messwerkzeug" durch andere "Messwerkzeuge" und durch beschreibende Betrachtungen zu ersetzen. Auch eigne ich mich nur schlecht als "Messwerkzeug", weil ich nicht den Anspruch habe, als Künstler zu wirken. Mir fehlt damit die Denke eines Künstlers. Dieser letzte Gedanke führt mich zu den Fragen:
"Muss oder darf ein guter Kunstkritiker selbst Künstler sein?"
"Welche Wirkung haben die Kritiken eines Künstlers bzw. eines Nichtkünstlers auf den kritisierten Künstler bzw. auf andere Künstler bzw. auf die Kunstkonsumenten?"
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