geändert am 17.01.2007 - Version Nr.: 1. 18

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~ Dr. Dieter Porth - Internet

"Was ist eine gute Kunstkritik?" - Ein Streitdialog zwischen Daniel Costantino und Dr. Dieter Porth. Die Antwort von Daniel Costantino

Zusammenfassung

Täglich erscheinen in verschiedenen Zeitschriften, Journalen oder Fachzeitschriften. Aus Anlass einer Kritik und auf Anregung von Daniel Costantino entstand die Idee zu diesem Schriftdialog über die Frage, was eine gute Kritik ist.
Für mich ist dieser Dialog eine Reflexion über meine gewählte Form der Musikkritiken. Meine Hoffnung ist, dass der geneigte Leser vielleicht viel schneller erkennt, welche Grenzen eine Kritik hat und welche Zielrichtungen Kritiker mit ihren Kritiken verfolgen.
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Pressemitteilung Kontaktlink zu Bürgerstimmen im Göttinger-Land [ Homepage ] (Dr. Dieter Porth)

[Internet - 05.01.07] [Bericht]

"Was ist eine gute Kunstkritik?" - Ein Streitdialog zwischen Daniel Costantino und Dr. Dieter Porth


ein verschreiber in deiner letzten stellungnahme (uniformierter leser statt uninformierter), dies vorneweg, bringt mich auf die idee, den uniformierten leser dem informierten gleichzusetzen.
was ich anbiete mit meinen kritiken, ist bestimmt nicht information, ausser einer einleitenden kurzzusammenfassung des inhalts oder dem, was unterderhand erwähnt wird zur verdeutlichung der argumentation. es geht mir jedenfalls um das wie und nicht um das was - definition von kunst schlechthin, wie ich das sehe. den einwand, alles sei information, beiseite, dann hätte der begriff keine bedeutung. wie die energie, die auch überall sei. oder das politische. oder der liebe gott.
ich nenne lieber den gegenstand meiner untersuchung und setze meine weltanschauung, meine ideologie, mein geistiges potential für oder gegen das werk aufs spiel. die objektivität, nach der das wort information riecht und schwitzt, stinkt wie ein aas, verhüllt den agitatorischen zweck und verschleiert die kriterien der auswahl; sie tut, als wäre sie neutral, leidenschaftslos, voller lauterkeit und gibt sich als höchster wert. der wert aber hinter dem wert, ihr antrieb und trieb, strebt gierig und im dunkeln nach den unterschiedlichsten dingen, selbst machtgelüst, selber leidenschaft, ebenso partei wie alles, was offen die klingen kreuzt.
ich halte also, in meinem bereich, objektivität für nichts anderes als die uniform, hinter der sich die leidenschaft eines menschen versteckt. vielleicht ist sie zu eis gefroren? auch gut, dann bildet information die kruste, die zusammenhält, damit nichts herausbrechen kann.
ich lebe, schreibenderweise, meiner leidenschaften. das gilt mittlerweile für alles, was ich schreibe. ausgenommen vielleicht der einkaufszettel. (die leidenschaft betrifft das essen).
ich stelle den anspruch in den vordergrund. den sprachlichen ganz besonders, weil man jede literatur daran messen kann, jede. damit biete auch ich eine vergleichsmöglichkeit, wenn auch nicht dieselbe wie du. ähnliche kunstwerke wären demnach alle andern literarischen erzeugnisse. ich betone, dass es mir nicht um gerechtigkeit gehen kann. an einem kunstwerk kann man keine gerechtigkeit üben.

(worauf hätte ich rücksicht zu nehmen angesichts unserer vagen, gebeutelten, wahnwitzigen existenz?)

zu deiner zwischensicht auf meine position: im allgemeinen fühle ich mich sehr gut verstanden. ob ich vom andern künstler lernen will - nein, das wäre so nicht richtig gesagt. ich will mich packen lassen. ein fest feiern. ja, ein fest feiern. es gibt autoren - garcía márquez, hans henny jahnn, imre kertész beispielsweise - die ich sehr bewundere, von denen ich aber nichts lernen kann oder will. ich muss meine eigene sprache finden. und die eigenen konstruktionen. die stoffe sowieso. ich bin den dreien nicht ähnlich genug, damit automatisch etwas davon zu mir herüberflösse, in meine arbeit, intuitiv. es gibt autoren, die ich nicht oder kaum lese, weil sie mir zu nahe stehen und in die quere kommen. es gibt aber zwei autoren, von denen ich einiges gelernt habe, aus begeisterung und dem ähnlichen temperament, das habe ich aber erst spät selbst bemerkt. mit dieser absicht lese ich kein buch. meine kritiken sind keine kunstwerke, bedienen sich aber eines künstlerischen mittels, des stils. als meine kunst bezeichne ich eigene gedichte, kurzgeschichten, den roman, den ich schreibe. was ich aus mir heraus schreiben muss, ohne bezug zu einem andern werk und ohne äusseren anlass.
ich erwarte schon, dass ein kunstwerk für sich selbst spricht. voran ein literarisches. sprache hat jeder. wer lesen kann zumal. damit ist der direkte zugang gegeben, der vielleicht in andern disziplinen gesucht werden müsste. ich fasse meine kritiken als ermunterung auf, sich diesen eigenen zugang herauszunehmen und sich nichts aufschwatzen zu lassen. (auch von mir nicht; wie ersehne ich einen fundierten widerspruch!)
deine anführungszeichen zu 'vorbild' und 'antivorbild' lassen darauf schliessen, du seist nicht so recht mit dem ausdruck zufrieden. ich auch nicht. ich spreche vom respekt, den ich einem künstler zolle, als einem künstler. das wort künstler selbst drückt diesen respekt schon aus. es kann auch bewunderung sein, begeisterung. im andern falle bestreite ich die künstlerschaft. es kann soweit gehen, dass ich ein werk verachte. wie oben angedeutet, und du siehst es richtig: die aufforderung zu selbständigem denken ist mir sehr wichtig. am dialog mit dir finde ich gerade deshalb meinen spass, weil du fundiert deine eigenen kriterien gegen die meinen setzt.
zum wort kommunikation. wieder ein allerweltswort. communication is life! ein technokratenwort. ein lebewesen will seine macht herauslassen, sagt nietzsche. unter kommunikation laufen platitüden, werbeslogans, lügen und kitsch frei herum, aber gewiss nicht in der kunst, wie ich sie verstehe. das wort ist mir ein zu grosser gemeinsamer nenner, als dass ich etwas damit zu tun haben wollte.
das künstlerische im menschen ist zwecklos. nicht selbstlos. gerade voller selbst: fantasie, streben, erkenntnis, undsoweiter, schöpft künstlerisches streben aus religiösem, existenziellem (existenzialistischem) bedürfnis. es entspringt nicht dem mitteilungsdrang, sondern der auseinandersetzung mit dem leben. kunst ist auf künstliche weise erzeugte exitenz pur. eine zusammenballung, ein höhenflug, ein extrakt.
das publikum, so vorhanden, feiert ein (kultisches) fest. das kunstwerk selbst kann hier schon verfälscht vorhanden sein, nebensache sein. es braucht sich auch nicht um ein kunstwerk überhaupt zu handeln, damit ein kultisches fest gefeiert werden kann. hier, scheint mir, kommt dein wort von der kommunikation erst zum zug. hier kann sie stattfinden, nicht nur unter dem publikum, sondern auch zwischen publikum und künstler. voraussetzung fürs kunstwerk scheint sie mir nicht zu sein. man spricht sicher vom künstler auf der bühne, doch ob er wirklich kunst vorführt oder nur sich selbst, ist eine andere frage. es ist überhaupt legitim, anderes vorzuführen als kunst. kunstmachen aber ist entschieden nicht dasselbe wie kommunizieren. zum kunstmachen alleine braucht es keine kommunikation. ich lege wert auf die qualitative analyse, und die qualität hat nichts mit der kommunikation zu tun. aber mit dem anspruch eines künstlers an sich selbst. nicht, damit er besser rüberkomme, sondern für sich, auf sich selbst und seine existenz bezogen.
was will der künstler (dem publikum) sagen? eben das kunstwerk. dies ist seine aussage. versteht man ihn nicht, kann zweierlei geschehen sein: das publikum befindet sich nicht auf der höhe oder es handelt sich um stümperei. wieviele menschen, die du kennst, kannst du nicht verstehen, und woran liegt es? ja, was muss man überhaupt verstehen können, nicht wahr. man kann einander doch nicht verstehen, verstünde man denn sich selbst?
man kann loben und missverstehen zugleich. man kann genau verstehen und doch ablehnen. ein kunstwerk braucht nicht (von allen) verstanden zu werden. es spricht für sich selbst, und wer nichts damit anfangen kann, lasse es bleiben. wohlverstanden, ich spreche immer noch vom kunstwerk, nicht von irgendeinem kulturellen produkt. kunst unterscheidet sich von andern werken durch die qualität, die innere lebendigkeit. gestaltungsvermögen, handwerk, der schöpferische daumenabdruck kommen hinzu.
ich würde einige der gedichte, von denen du schreibst, als reimereien abtun, die ja durchaus auch gelungen sein können. sehe allerdings rot, wenn solches für kommerzielle zwecke eingespannt oder extra verfertigt wird. oder lache, lache sehr. die beste und gewaltloseste terapie.
vielleicht noch von einer andern seite her kurz beleuchtet: ist ein sänger ein künstler? so er seine stimme schult, stilsicher ist, die formen des auftretens beherrscht und das alles gut, bestens, applauswürdig - nein. im handwerk selbst liegt noch nicht die kunst, wie ich sie meine. er vermittelt kunst, er unterhält. nicht wenig! doch erst, wenn seine seele in die stimme fliesst...dann ist er in meinem sinne ein künstler. wenn seine ganz persönliche interpretation zu buche schlägt. seine unverwechselbarkeit. wenn er, anders gesagt, sein leben aufs spiel setzt. und dies risiko umzuwandeln vermag in seinen gesang.

ja, und abschliessend: ein künstler, gerade ein musiker, der unterrichtet, muss ein kritiker sein am schüler. und er muss es an sich selbst sein. ob er kritiken schreiben darf? wieso willst du ihm das recht verwehren? ein kritiker aber, der nicht selber künstler ist, weiss auch um die kunst und ihr geheimnis. jeder mensch kann kunst erleben. dazu muss einer nicht selber künstler sein.
auf deine letzte frage weiss ich wenig zu sagen. doch dies: ich hatte mich über einen kritiker sehr geärgert, der schrieb, meine stimme hätte 'gutes material'. (er hatte inszenierung und komposition hervorgehoben und von den solisten nur zwei erwähnt, mich mit diesem kurzen satz). ich hatte den satz nicht als lob empfunden, sondern ein aber dahinter beargwöhnt. und mich geärgert, dass er die katze nicht aus dem sack gelassen. ein anderer kritiker schrieb negatives über die zusammensetzung eines (andern) programms und die unvereinbarkeit meiner stimme mit jener meiner kollegin. das hatte uns nicht gefreut, aber ich wusste gleich, dass er sehr recht hatte damit. ich kann sagen, dass mich eine formale, eine objektiv formulierte kritik immer ärgert. man gibt sein herzblut als sänger, nicht wahr, und wird mit abstrakten formeln abgefertigt. man fühlt sich grauenhaft missverstanden, in den zoo gestellt, fehl am platze in dieser welt. eine kritik mit bauch und herz aber, und sei sie noch ein verriss, kann man nehmen, und ist sie fundiert, weiss man, der kritiker hat recht. im andern falle findet man im eignen blute die kraft, erst recht weiterzumachen.
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